Johann Wolfgang von Goethe

Clavigo

Aalborg Teater/ Premiere: 21. November 2013

Regie: Lydia Bunk
Ausstattung: Nikolaus Porz
Musik: Peter Kohlmetz Møller
Filmclips: Daniel Buchwald

mit Amalie Dollerup, Malin R. Brolin-Tani, Andreas Jebro, Martin Bo Lindsten, Martin Ringsmose

Fotos: Lars Horn / Baghuset






KRITIKEN ZU "CLAVIGO" am AALBORG TEATER (übersetzt aus dem Dänischen)

Intelligentes Drama über Liebe gegen Karriere
Das Karriere-Drama "Clavigo" am Aalborg Teater ist erschreckend aktuell und eine Erfahrung, die den Zuschauer an seiner Stuhlkante sitzen lässt. (...) Die Inszenierung ist brillant. Aber die Handlung wird sauber erzählt, nicht zuletzt, weil vor allem die männlichen Schauspieler alles geben in Lydia Bunks überraschender und atemberaubender Inszenierung und Bearbeitung. (...) Dies ist begrüßenswertes Theater, ganz und gar, so bekommen Sie ein intelligentes, schockierendes und überraschendes Erlebnis, so werden Sie in die Arme dieser teuflisch guten Inszenierung geworfen, die wirklich etwas ins Spiel bringt.

"Børsen" vom 29.11.13

Kann man gleichzeitig seine Freundin küssen und ein Minister werden?
Kann man gleichzeitig seine Freundin küssen und ein Minister werden? Und kann man gleichzeitig lieben und egoistisch sein? In einer abwechslungsreichen und humorvollen Inszenierung von " Clavigo "am Aalborg Teater wird dieses von Goethe geschriebene Dilemma unglaublich aktuell - mit Andreas Jebro als grandiosen Manipulator. Goethes Anti- Held Clavigo ist wie jeder moderne Karrieremann: Er will mit der Liebe spielen, aber er würde am liebsten selbst eine extreme Karriere machen und steuert direkt auf die Spitze zu.
Es kann gut sein, dass seine Freundin einen besonders sensiblen und witzigen Freund in ihm bekommt. Aber er wird bald in der Lage sein, Emotionen im Privatleben zu unterdrücken, so dass er sich auf das Streben nach dem Ministerposten konzentrieren kann. Von dort aus kann er dann den Rest verführen - und die Liebe ablegen. So interpretiert die Regisseurin Lydia Bunk das Sturm und Drang Drama von Goethe, der das Stück schrieb unter dem Einfluss seiner eigenen Begeisterung und Trennung von Friederike. Goethe kann schwierig sein, weil es einen Regiezugriff erfordert, der seine Gedanken greifbar macht in der heutigen Zeit. Hier gelingt es (...) In der Inszenierung am Aalborg Teater steht er (Clavigo) selbstgefällig in seiner Unterhose da und ist bereit, sein makelloses Hemd und Krawatte anzuziehen. Sein zweites Ich begleitet ihn überall hin. Als zwei sich synchron bewegende Personen stehen der dunkelhaarige gelockte Martin Bo Lindsten und der große, blonde Andreas Jebro auf der Bühne als eine Person. Alles, was sie tun ist synchron. Sie sprechen synchron. Sie nehmen ihre Schuhe synchron. Sie schreien synchron. Es ist wirkliches Revue Timing und das heißt etwas. Mit Lindsten als unwiderstehlicher Verführer und Jebros zügellosem Zweifel in der gleichen Person. Tierisch komisch, aber dahinter liegt die Tragödie und der geistige Zusammenbruch lauert gleich um die Ecke. (...)
Schneewittchen könnte sich leicht in dem vergrößerten Glassarg befinden, der jetzt wie ein Mausoleum für Clavigos ermordete Liebe in der Mitte der Bühne steht. Im Inneren des gläsernen Sargs liegt die abgelehnte Schönheit Amalie Dollerup und singt ein trauriges Liebeslied mit einer so schönen und traurigen Stimme, dass selbst ein gehörloser Mensch es bedauern würde, und zu ihr zurückkehren würde und um Vergebung bitten. Sie schwebt umher in ihrem verweinten Hochzeitskleid, auch Malin Rømer Brolin-Tani als Schwester zeigt sich mit ebenso viel Charme in einer Cancan- Corsage . Welch glückseliger Seufzer des Unglücks!
Aber das Weinen der Frauen wird von Martin Ringsmose als älterer Bruder gestört, der kommt um seine Schwester zu rächen. Ringsmose sieht aus wie ein Trucker-Fahrer, wie er schnaubt auf der Szene mit einem Schnurrbart und Tätowierungen. Sein Körper ist eine der wildesten im dänischen Showbusiness: Er kann fallen, als wenn jemand Macht durch ihn durch sendet. Das macht den Unterschied nicht so groß zwischen ihm und Clavigo, den er bekämpfen will. Denn Andreas Jebros Körper drückt sich genauso physisch aus wie Ringsmoses - nur noch mehr emotional zerrüttet. Jebro zittert mit langen Armen wie ein Clown, der gerade aus dem Karton ausgepackt wurde. Aber im nächsten Moment ist er wie ein Zirkusaffe, der auf allen Vieren auf dem Glassarg kriecht als er versucht, seinen Weg zu seiner Märchenprinzessin zu kämpfen. Es ist überraschend, wie schnell der Wechsel ist zwischen Jebros zuversichtlichem Chef und seiner inneren Verzweiflung. Es ist überraschend - und auch wunderbar. (...)

"Information " vom 25.11.13

250 Jahre alte Tragödie als eine genaue Darstellung unserer Zeit
Goethes " Clavigo " am Aalborg Teater wurde von einer deutschen Regisseurin scharf modernisiert.

Das Dilemma wird vielen bekannt sein. Soll ich mich binden, Kinder kriegen, dort mein Glück suchen? Oder alleine durchs Leben gehen, durcharbeiten und nach dem Einzigartigen streben? Goethe war 25 Jahre alt, als er im Jahre 1774 "Clavigo", schrieb und hatte sogar die Wahl zwischen der jungen Friederike auf der einen Seite und Dichtung und einer politischen Karriere auf der anderen.
Obwohl diese Tragödie bereits 250 Jahre auf dem Buckel hat, betrifft es doch den heutigen gebrochenen Mann, der zwischen Selbstverwirklichung in der Arbeit und dem Verlust der Liebe schwankt. Scharf aktualisiert von der deutschen Regisseurin Lydia Bunk , die schon zuvor in der dänischen Szene auf sich aufmerksam gemacht hat.
Clavigo liebte einst Marie, die ihm geholfen hat , als er noch unbekannt war und ein nichts. Als er den Posten als Redakteur der "Morgenbladet" erreichte, lies er sie fallen. Jetzt ist er dabei sein Imperium zu vergrößern und sieht sich mit der Frage konfrontiert : War es die richtige Entscheidung?
Man kann die Skizze von Goethes Alterswerk 'Faust' erahnen: Sein Freund und Kollege Carlos ist eine Mephisto Figur; Einer der in Versuchung führt und Zweifel sät.(...) Die beiden Männer werden mit hedonistischer Zügellosigkeit gespielt und effizienten synchronisierten Bewegungen von Andreas Jebro und Martin Bo Lindsten. Sie sind der Inbegriff des Homo ökonomikus . Lydia Bunk lässt sie oft im Chor sprechen oder einander benutzen wie Bauchrednerpuppen. Die Sprache der Macht ist körperlos und relativ. Im Gegensatz dazu steht die Sprache der Liebe, die absolut ist und die hier von Maries Bruder Beaumarchais verkörpert wird. Martin Ringsmose macht einen großen Eindruck mit seinem mutigen und erdverbundenen Spiel als Mann, der sich auf die brüderliche Liebe stützt und auf Rache sinnt. (...)
"Am Ende ist alles Arbeit, auch die Liebe ", sagt Maries Schwester Sophie (Malin Rømer Brolin- Tani) am Ende. Sie wird hier als kinderloser Single dargestellt, die sich Feministin nennt, weil, wie sie sagt - wahrscheinlich mit Lydia Bunks mitgegebenen Worten - "Die männliche phallokratische Gesellschaft ist überall verbreitet." (...)

Politiken vom 25.11.13