Friedrich Schiller

Die Jungfrau von Orleans

Staatstheater Darmstadt / Premiere am 28.09.12

mit Andreas Vögler (Karl der Siebente), Margit Schulte-Tigges (Königin Isabeau), Diana Wolf (Agnes Sorel 1), Katharina Hintzen (Agnes Sorel 2), Ronja Losert (Johanna von Orleans), Andreas Manz (Richter 1/Graf Dunois/Talbot), Stefan Schuster (Richter 2/Du Chatel/Fastolf/Schwarzer Ritter), Simon Köslich (Richter 3/La Hire/Lionel/Englischer Sodat), Thomas Dehler (Raoul/Philipp der Gute/Montgomery/Englischer Soldat), N.N. (Die Erscheinung)

Inszenierung: Lydia Bunk
Bühne und Kostüme: Nikolaus Porz

 

"Entschlossene Kämpferin hört ihren Auftrag"
Lydia Bunks Inszenierung von Friedrich Schillers "Die Jungfrau von Orleans" am Staatstheater Darmstadt ist ein theatraler Triumph

Darmstadt macht meist gutes Stadttheater, hat ein taugliches Ensemble und leistet sich seine Spitzen. Nur erwartet niemand täglich die Einladung einer Darmstädter Inszenierung zum "Berliner Theatertreffen" (der Ritterschlag für eine Inszenierung). Lydia Bunks "Jungfrau von Orleans" aber möchte man zu gern dort spielen sehen.

Zum guten Teil verdankt sich das Ronja Losert, die vom Typ her eine wunderbare Jeanne d'Arc abgibt und das glänzende Ensemble noch um Längen überragt. (…)

Ersten Eindruck machen aber Bühne und Kostüme von Nikolaus Porz. Porz versetzt das Stück, das in Bunks Regie nie im Edelmenschentum ertrinkt, in einen imposanten Thronpalast. Auf der oberen Ebene ist es die symmetrische Königshalle, die von goldenen hohen Wänden umgrenzt. Eine Schräge führt hinab, wo die Bühne einem Klär- oder Heizwerkkeller gleicht. (...)

Die königliche Kloake ist Chiffre aufs Nebeineinander von Glanz der Macht und Macht als Sickergrube menschlichen Bluts und Strebens. Wenn eingangs unter Alarm der Eiserne Vorhang auffährt, enthüllt er das künftig große, visionär ergriffene Indiviuum Johanna im langen grauen Kleid des stilisierten Schäfermädchens, noch ohne Fahne oder Schwert. (…)

Wie die Regisseurin Karl VII. (Andreas Vögler) zwischen süßen leichten Mädchen am Sektwägelchen, seinem soldatisch-männlichen Adel in Brustpanzern und seiner mit England verbündeten, als blaue Maggie Thatcher kostümierten Königinmutter (Margit Schulte-Tigges) schwanken lässt, bevor das Schicksal in Gestalt Johannas ihn packt und auf den rechten Weg zwingt, ist packend gespielt. Hier liegen viele, auch komische Schönheiten; Andreas Manz-Kozár, Thomas Dehler und die anderen liefern in Messerkampf wie an der Gulaschkanone und menschelnd blitzsaubere Arbeit, Vögler einen König, der im Bademantel, auf der Flasche flötend und in Rüstung für alles gut ist. Das Ereignis aber ist und bleibt diese Johanna. Wenn sie auftritt, brummt das Universum, das etwas mit ihr vorhat. Die Exponierte und Erhöhte gibt sie so glanzvoll-tragisch wie die Frau zwischen Männern, die mitreißt und versöhnt, Feinden die Fassung raubt und im Schnee vor Liebe menschlich dahinschmilzt, um letztlich zur Frau im Grabenfeuer zu werden. Requiem eine Hexe: Geburt einer Schauspielerin.

Frankfurter Neue Presse