DER WETTPATE EMPFÄNGT GERN IM SCHAUMBAD
Das riesige Plakat mit dem melodramatisch ins Nirgendwo blickenden Paar erinnert an Fifties- Edelschmonzetten,
der knallrote Sarg hingegen an trashige B-Movies. Und tatsächlich: Die Geschichte vom Mord an Boca de Ouro,
Rios stinkreichem Wett-Paten, ist ein Mix aus Kitsch, Gewalt und Telenovela- Flachsinn. Zur Abschreckung gibt`s
anfangs einen Einspieler auf Bocas Leichentuch: Der halbseidene Kriminelle läßt sich für ein goldenes Gebiß alle
Zähne ziehen – unappetitlich garniert mit Kunstblut.
Regisseurin Lydia Bunk hat das Stück des 1980 verstorbenen
brasilianischen Dramatikers Nelson Rodrigues mit dem an James Bond erinnernden Titel Der Mann mit dem goldenen
Gebiß im Prater inszeniert. Mit viel Witz, der die Brutalität erträglich macht, und einem tollen Ensemble.
Robert Gallinowski gibt den öligen Boca großartig undurchsichtig, mal kumpelhaft, mal aufbrausend. Ein Typ, der
Leute am liebsten im Schaumbad empfängt, umgeben von zwei flauschigen Riesen-Phalli. Für ihn sind alle Frauen Huren,
nur seine Mutter ist eine heilige. Freud lässt grüßen. Seine Geschichte wird drei Mal aus sicht seiner Guigui
(Mandy Rudski) und Celeste (Katharina Rivilis) erzählt. Dabei werden die Charaktere vielschichtiger und naturgemäß
die Handlung etwas verwickelter. Ein Abend, spannenden und voller Finten bis zum knalligen Finale.
Das Bühnenbild überzeugt: Ein gigantisches Nostalgie-Filmplakat, das die Copacabana zeigt, weiße Strände, Favelas, den Zuckerhut von Rio de Janeiro sowie im Vordergrund zwei Filmstars und den Titel Boca de Ouro. Das spektakuläre Plakat (Bühne: Jana Findeklee und Joki Tewes) dient auch als Vorhang. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus Badezimmer und Autowaschanlage. In einer überschäumenden Wanne liegt der Vorstadtganove, Weiberheld und Mörder Boca de Ouro, der Mann mit dem goldenen Gebiß. Gespielt wird die gleichnamige Vorstadttragödie von Nelson Rodrigues, der als bekanntester brasilianischer Dramatiker gilt, ja, sogar mit Brecht verglichen wird. (…)